Aus den Betrieben

Scheitern mit Ansage

Ende des Tiefdrucks bei Bertelsmann: Prinovis schließt Ahrensburg

Als die Entscheidung verkündet wurde, traten selbst gestandenen Druckern die Tränen in die Augen: Ende Januar 2024 soll die Druckerei von Prinovis in Ahrensburg den Betrieb einstellen. Die Schließung bedeutet zugleich das Ende des Tiefdrucks bei der Bertelsmann-Tochter. Und einen neuen Tiefpunkt beim Niedergang dieses traditionsreichen Druckverfahrens.

»Dass es irgendwann zu Ende geht, war allen klar«, sagt Betriebsrat Heiko Willers. Dennoch ist das Aus bitter. Denn seit 13 Jahren hat die Belegschaft den Standort vor den Toren Hamburgs mit immer neuen Zugeständnissen am Leben erhalten: mit dem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, mit einer auf 38 Stunden verlängerten Wochenarbeitszeit, mit einer reduzierten Besetzung an den neun Maschinen und zuletzt mit dem Verzicht auf Lohnerhöhungen.

Doch statt das Entgegenkommen der rund 550 Beschäftigten zu nutzen, um zu investieren und den Standort mit einem Umstieg auf flexiblere Drucktechniken oder dem Aufbau einer großen Weiterverarbeitung zukunftsfähig zu machen, habe Prinovis bloß seine Verluste verringern wollen, erklärt Betriebsratsvorsitzender Florian Buchwald. »Es ging immer nur darum, alles billiger zu machen.« Billiger als die Konkurrenz. Billiger als die anderen Standorte im eigenen Unternehmen. Ein Unterbietungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten. Und ein Scheitern mit Ansage.

Fast alle Standorte des ehemals größten Tiefdruckunternehmens in Europa sind dieser Strategie zum Opfer gefallen. Das 2006 eröffnete Werk in Liverpool wird Mitte dieses Jahres dichtgemacht. Ahrensburg ist dann der Schlusspunkt. Es gebe »keine wirtschaftliche Perspektive« mehr für den Betrieb, so die Bertelsmann Printing Group. 

Bereits 2015 hat ver.di mit Bertelsmann vorsorglich einen Sozialplan-Tarifvertrag abgeschlossen, um für künftige Schließungen unter anderem die Abfindungen abzusichern. Der Ahrensburger Betriebsrat aber will erreichen, dass der Konzern – wie zuvor beim Aus in Nürnberg und Dresden – mehr tut. Dort wurden Transfer-Center eingerichtet, die bei der Suche nach neuen Jobs helfen, und es gab mehr Geld für die letzten Produktionsmonate. »Wenn wir das Gefühl haben, hier wird mit Augenmaß verhandelt, dann bringen wir es vernünftig zu Ende«, sagt Betriebsrat Willers. Wenn nicht, sei man kampfbereit.         

Der Niedergang 

Seit mindestens 15 Jahren geht es mit dem Tiefdruck bergab. Das schnelle und qualitativ hochwertige Druckverfahren eignet sich insbesondere für Zeitschriften mit sehr hoher Auflage oder für dicke Versandhauskataloge – beides gibt es immer weniger. Die großen Tiefdruckunternehmen in Europa reagierten auf die zurückgehende Nachfrage, indem sie Konkurrenz aus dem Markt zu drängen versuchten. Sie kauften immer breitere und leistungsfähigere Maschinen und jagten sich aggressiv Aufträge ab. Die Folge des ruinösen Preiskampfs: Immer mehr Druckereien wurden geschlossen, Unternehmen gingen pleite. Mit dem Ende von Prinovis in Ahrensburg werden seit 2008 in Deutschland rund 4.500 Tiefdruckbeschäftigte ihren Job verloren haben, unter anderem bei Bauer in Köln (2010), bei der Schlott-Gruppe in Freudenstadt (2011) und an den Prinovis-Standorten in Darmstadt (2008), Itzehoe (2014), Nürnberg (2021) und Dresden (2022). Die letzten großen Tiefdruckereien betreiben die TSB-Gruppe in Mönchengladbach (mit Tarif) sowie Burda in Offenburg und Nürnberg.

Droht das nächste Aus?

Die Schließung der Prinovis-Druckerei in Ahrensburg könnte auch die benachbarte Rollenoffsetdruckerei von Axel Springer mit in den Abgrund ziehen. Die Betriebe gehörten ursprünglich zusammen und werden beide über Prinovis mit Strom, Wasser und Druckluft versorgt. Um sich davon unabhängig zu machen, müsste Axel Springer nach ersten Schätzungen bis zu fünf Millionen Euro investieren.
Bis zum Sommer will der Vorstand entscheiden, ob er das Geld ausgeben will. »Die Gefahr ist real, dass wir bis 2025 auch geschlossen werden«, sagt Betriebsratsvorsitzender Gunter Knaack. Bei Axel Springer in Ahrensburg arbeiten 120 Menschen.           

Betriebsratsvorsitzender Florian Buchwald (re.) und sein Vize Heiko Willers.
Foto:  Joachim F. Tornau