Tarif

»Guck mal auf die Zapfsäule!«

Beschäftigte verlangen für Leistung, Flexibilität und gestiegene Preise fünf Prozent mehr Lohn | Wertschätzung statt Einmalzahlung

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Werner Bareth,
Betriebsratsvorsitzender bei Huhtamaki in Ronsberg, Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission

»Angesichts der steigenden Preise gab es Kolleg*innen in der Produktion, die sagten, eine Lohnforderung von zehn Prozent auf ein Jahr wäre angebrachter gewesen. Wir merken täglich beim Einkaufen und Tanken, dass wir für unser Geld weniger als vor einem Jahr bekommen. Außerdem muss der Lohn höher werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Huhtamaki konkurriert mit Unternehmen aus der Metallindustrie in der Umgebung: Fendt, Bosch, Liebherr zahlen Tarife der Metall- und Elektroindustrie, selbst Leiharbeitskräfte bekommen dort mehr als bei uns. Und weiter: Seit der Corona-Pandemie arbeiten die Beschäftigten unter erschwerten Bedingungen. Eine Corona-Prämie wäre eine überfällige Anerkennung. Bei einer Einmalzahlung dürfte es aber nicht bleiben. Wir brauchen eine dauerhafte Erhöhung der Einkommen.«

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Dragiša Jankovic,
Mitglied der Tarifkommission und des Betriebsrats im Pressehaus Stuttgart Druck

»Viele Kolleg*innen haben bei der Beschäftigtenbefragung von ver.di mitgemacht. Daran sieht man, dass ihnen die Lohnforderung und der Manteltarifvertrag wichtig sind. Das ist jetzt alles schon ein paar Monate her und die Preise sind seitdem noch stärker gestiegen. Die Forderung von fünf Prozent mehr Lohn ist richtiger denn je!«

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Sven Rieck,
stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Axel Springer Druckhaus Spandau und Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission

»Ich fand es eine Frechheit, dass uns die Arbeitgeber mit 500 Euro Corona-Prämie abspeisen wollten. Wir brauchen eine lineare Erhöhung, die sich die nächsten Jahre beim Lohn niederschlägt und auf die Rente auswirkt. Für 500 Euro ginge man ein paar Mal tanken und weg ist das Geld. Guck mal auf die Zapfsäule! Wie teuer das Benzin geworden ist. Die Kollegen sind aufs Auto angewiesen. Würde ich in Berlin nach der Nachtschicht um 2 Uhr in Bus und Bahn steigen, bräuchte ich zwei Stunden bis zu meiner Haustür. Das ist nicht zumutbar. Weil Sprit und vieles andere mehr kostet, brauchen wir auch mehr Lohn.«

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Dietmar Bexkens,
Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Schaffrath in Geldern

»Die Kollegen und Kolleginnen erwarten einen Abschluss mit mindestens einer Drei vor dem Komma. Die immense Preissteigerung muss weitestgehend ausgeglichen werden. Gegen eine Einmalzahlung hat niemand etwas einzuwenden, aber nur zusätzlich, nicht als Ersatz für eine lineare Erhöhung. Noch ein Gedanke: Tarifgebundene Druckbetriebe werden oft von tariflosen Unternehmen ausgebootet, weil die nur Niedriglöhne zahlen. Das ist ein ruinöser Wettbewerb, der auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen wird. Ziel müsste es sein, durch Allgemeinverbindlichkeit flächendeckend Tariflöhne für die Druckbetriebe zu schaffen.«

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Torsten Friedrich,
Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission und des Betriebsrats der Zeitungsdruckerei der Süddeutschen Zeitung, München

»In der Druckindustrie gibt es seit vielen Jahren nur noch geringe Lohnerhöhungen. Inzwischen hat uns die Papierverarbeitung überholt, von der Metallindustrie gar nicht zu reden. Der Bundesverband Druck und Medien macht große Werbung für mehr Nachwuchs. Ja, wie will er denn Nachwuchs bekommen, wenn der Lohn nicht stimmt? Noch was: Wir haben Kollegen, die eine Stunde Fahrtzeit von der Druckerei entfernt wohnen. Wenn sie nachts um 2.30 Uhr Feierabend haben, fährt keine Bahn mehr. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das Auto zu nehmen und 1,90 und 2,10 Euro pro Liter zu bezahlen. Und in der größten Corona-Krise waren die Kollegen bereit, inner-halb kurzer Zeit die Schichten umzustellen, um in getrennten Teams zu arbeiten, damit – im Fall von Ansteckungen – die Produktion immer noch garantiert werden kann. Das sollte anerkannt werden. Wertschätzung kann sich auch in höheren Löhnen zeigen!«

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Bruno Stiehle,
stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Ebner & Spiegel in Ulm und stellvertretendes Mitglied der Tarifkommission

»Bei uns ist zurzeit enorm viel zu tun. Wie immer wird dreischichtig gearbeitet, oft auch am Samstag und freiwillig am Sonntag. Gibt es Lieferschwierigkeiten beim Papier und eine Schicht fällt aus, arbeiten die Kollegen oft zusätzlich am Wochenende, um den Auftrag fertigzustellen. Wegen des Fachkräfte-mangels wird eine hohe Flexibilität verlangt. Es muss immer wieder zwischen den unterschiedlichen Maschinen gewechselt und unterbesetzt gearbeitet werden. Wer eine solche Flexibilität verlangt, muss eine Gegenleistung bieten. Außerdem: Die Löhne in der Druckindustrie liegen im Vergleich zu anderen Branchen seit mehr als zehn Jahren zurück. Das ist nicht vertretbar. Die Kollegen und Kolleginnen sind durchaus bereit, für höhere Löhne zu streiken.«

Stand der Verhandlungen

Reaktionen des Bundesverband Druck und Medien (bvdm)

1. Verhandlung 14. Februar 2022
ver.di-Forderung wird abgelehnt

2. Verhandlung 21. Februar 2022
Angeboten wird eine Einmalzahlung von 500 Euro als Corona-Prämie

Die Friedenspflicht endete am 28. Februar 2022: Seit 1. März kann gestreikt werden. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 28. März angesetzt.

Sorry, das stimmt nicht!

Argumentationshilfen gegen falsche Behauptungen

Es sind schwierige Zeiten für Tarifverhandlungen. Das weiß ver.di. Doch manch ein Argument von Unternehmer*innen ist dann doch nicht richtig.

Die Corona-Pandemie belastet die Betriebe. Mehr ist nicht zu verkraften.

Die Pandemie ist tatsächlich eine Belastung. Auch für die Beschäftigten, die Abstand halten und Maske tragen müssen. Weil ver.di die schwierige Situation anerkennt, war die Gewerkschaft damit einverstanden, die für 1. Juni 2020 und für 1. Mai 2021 vorgesehenen Lohnerhöhungen jeweils um drei Monate zu verschieben. Überdies war es möglich, per freiwilliger Betriebsvereinbarung die Auszahlungen um weitere fünf Monate zu verschieben, wenn damit Kündigungen vermieden werden konnten. Das Lohnabkommen wurde bis 31. Januar 2022 um fünf Monate verlängert. Die Gewerkschaft und die Beschäftigten haben ihren Beitrag geleistet.

Die Papierpreise steigen, die Energiepreise auch. Mehr ist nicht drin.

Unternehmen geben die höheren Preise an ihre Kundschaft weiter. Ein Beispiel: »Wesentliche Gründe für die Preiserhöhung sind die sprunghaft gestiegenen Energie- und Papierkosten sowie der im Laufe des Jahres um 22,2 Prozent steigende Mindestlohn«, informiert eine Tageszeitung der Ippen-Gruppe die Abonnent*innen am 1. März 2022. Beschäftigten ist dieser Weg verwehrt. Sie müssen die zum Teil kräftigen Preiserhöhungen selbst bezahlen. Laut Statistischem Bundesamt sind Nahrungsmittel im Januar 2022 (im Vergleich zum Januar 2021) um fünf Prozent, Kosten für Heizung, Warmwasser, Strom und Gas innerhalb eines halben Jahres um 18 Prozent und Spritkosten innerhalb eines Jahres um fast 30 Prozent gestiegen. Deshalb sind höhere Löhne gerechtfertigt.

Die Druckindustrie ist eine kriselnde Branche. Es gibt nichts zu verteilen.

Lässt man die Krisenjahre (Finanz- und Corona-Krise) außen vor, blieb die Produktivität in der Druckindustrie relativ konstant. Beharren die Druckunternehmen allerdings darauf, nichts hergeben zu wollen, wird sich der Fachkräftemangel verstärken. Schon jetzt wechseln Beschäftigte wegen höherer Löhne in andere Branchen. Verstärkt wird die Abwanderung dadurch, dass die Lohnentwicklung in der Druckindustrie in den vergangenen Jahren hinter der Entwicklung vergleichbarer Branchen zurückbleibt.