Editorial

Jetzt ist er wieder der Buhmann der Nation: Claus Weselsky von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Was daran liegt, dass die GDL zu Streiks aufgerufen hat und viele Züge stillstanden. Der untertane Deutsche mag aber keine Streiks: »Muss das sein, mitten in den Sommerferien?«, mault einer ins Mikro. Unternehmerverbände versuchen seit Langem, das Streikrecht einzuschränken. Dafür finden sie Handlanger in der Politik.

Erinnern wir uns an 2014. Da legten die GDL-Lokführer und die Piloten der Gewerkschaft Cockpit die Arbeit nieder. Das Gezeter war groß. In der Öffentlichkeit zeichneten Politik und Medien das Zerrbild von der Streikrepublik, fest in der Hand wild gewordener kleiner Gewerkschaften. Was damals falsch war und heute auch: Im internationalen Vergleich ist Deutschland im unteren Mittelfeld, zählt man die wegen Streik ausgefallenen Arbeitstage – weniger als Irland, mehr als Litauen.

Leere Gleise, verwaiste Bahnhöfe, das sollte nicht wieder passieren. Deshalb erließ die schwarz-rote Bundesregierung auf Wunsch der Unternehmerverbände (unterstützt von einigen DGB-Gewerkschaften) das Tarifeinheitsgesetz. Seit 2015 gilt in einem Unternehmen der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern. Im Fall der Bahn ist das die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Jede andere Gewerkschaft mit weniger Mitgliedern hat stillzuhalten und soll sich unterordnen – geht es nach dem Bahn-Vorstand. Dem widersetzt sich jetzt die GDL. Die Kolleg*innen legen die Arbeit nieder für bessere Löhne, eine Corona-Prämie und gegen die Kürzung der Betriebsrente – nicht mehr als beim öffentlichen Dienst. Lokführer lassen sich ein faktisches Streikverbot nicht gefallen. Das tun sie für sich – und für uns. Übrigens: ver.di war gegen das Tarifeinheitsgesetz. Angestoßen vom Fachbereich 8.