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Unterwegs zur Chefin des Gutenberg-Museums

Warum Annette Ludwig das Drucken mit Lettern, Bengeln und Schraubspindeln retten will

Schwarz und Weiß sind wichtig – das signalisiert Annette Ludwig schon mit ihrer Kleidung. Im Mainzer Gutenberg-Museum lässt sich die Direktorin in einem schwarz-weißen Raum voller Q-Typen fotografieren. Und erklärt eindringlich, warum der Schwarz auf Weiß gedruckte Mainzer Impuls so bedeutend ist. Denn wenn die Welt ihn ignoriert, wird die 570 Jahre alte Kunst des Buchdrucks mit beweglichen Lettern verschwinden. Eine Kunst, die nach Ansicht Annette Ludwigs als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt werden muss.

Ab etwa 1450 mussten Bücher und Flugblätter nicht mehr mühsam per Hand vervielfältigt werden. Denn der Mainzer Johannes Gutenberg erfand den maschinellen Druck mit beweglichen Lettern. Damit konnte man einen Text an einem Tag 3.000-fach kopieren. Das habe unser Denken, unser Wissen, unsere heutige Kultur erst möglich gemacht, meint Annette Ludwig.

»Arche Noah« für Werkzeuge

Und nun sei eine Rettungsaktion notwendig. Auf www.mainzer-impuls.de heißt es seit dem vorigen Herbst: »Wir fordern den umfassenden Schutz der historischen Technologie des Buchdrucks, vom Stempelschnitt über den Schriftguss und den Bleisatz bis zum Pressendruck.« Die Zeit dränge. Werkstätten, die noch analog drucken, müssten gefördert werden. In einer internationalen »Arche Noah« solle man die alten Maschinen und Werkzeuge retten und nutzen. An den Hoch- und Berufsschulen müssten junge Leute auch die alte Drucktechnik lernen. Sie gehöre als Schwerpunkt »Künstlerische Druckverfahren« in den Lehrplan für die Medientechnologie Druck. Das fordern inzwischen 170 Unterzeichner*innen, davon viele aus Museumsvorständen, Druckereien und Stiftungen. Sogar der Bundespräsident habe sich ihr Anliegen angehört, erzählt Annette Ludwig. Sie hofft sehr, dass auch er den Mainzer Impuls unterschreibt.

»Dieser Geruch, dieses Feeling«

Noch mal: Warum das Ganze? Das alte Handwerk der Stellmacher und Küfer ist ja auch verschwunden – die Welt dreht sich trotzdem weiter. Doch auf Gutenbergs Kunst könnten wir nicht verzichten, sagt die Museumsdirektorin. In ihrem Druckladen neben dem Mainzer Dom sehe sie, dass auch junge Leute gern selbst Visitenkarten, Gedichte oder Urkunden mit Druckerschwärze auf hochwertiges Papier bringen. Toll sei »dieser Geruch, dieses Feeling, etwas Selbstproduziertes in den Händen zu halten.« Doch immer älter werden die Leute, die in den Kursen das analoge Drucken unterrichten. Bald könne niemand mehr die alten Maschinen reparieren, sorgt sich Annette Ludwig. Nur noch in Darmstadt sitzt ein Spezialist, der neue Schrifttypen gießen kann (siehe DRUCK+PAPIER 1/2018, t1p.de/schriftgiesser). Immer weniger Druckereien arbeiten mit der alten Technik. »Und wenn so ein Offizin (Buchdruckerei, d.Red.) aufgelöst wird, dann fliegt alles weg!«

Der Mainzer Impuls

Noch ist keineswegs sicher, ob und wann der Mainzer Impuls von Annette Ludwig und ihren Mitstreiter*innen Früchte trägt. Es braucht Politiker*innen, die richtig viel Geld für die »Arche Noah« bereitstellen. Nur wenige aus diesem Berufsstand haben den Mainzer Impuls unterschrieben. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (der Chef von Annette Ludwig) ist zwar dabei. Doch erst mal muss er 53 Millionen Euro für den Neubau des zuletzt 1962 modernisierten Gutenberg-Museums aufbringen. Ebling und seine Museumsdirektorin Annette Ludwig wollen es im März 2026 eröffnen. Wenn alles gut geht.

Der Autor hat das Gutenberg-Museum in Mainz mit Maske und Abstand besuchen können.