Arbeitsunrecht

Systematisch fertiggemacht

Wie Unternehmen versuchen, Betriebsräte zu schwächen

Abmahnen, einschüchtern, Lohn abziehen – damit drangsaliert der Geschäftsführer von Mayr Melnhof in Trier den Betriebsratsvorsitzenden Norbert Hillemacher (DRUCK+PAPIER 3/2020 berichtete). Der muss sich immer wieder vor Gericht wehren. Mal wird das ganze Gremium angegriffen, mal der Vorsitzende. Das habe Methode, sagt Wolfgang Alles. Er hat im Komitee »Solidarität gegen Betriebsrats-Mobbing!« mit solchen Fällen zu tun. Das Unternehmen will den Vorsitzenden entweder schwächen oder loswerden. Das Gremium wird ständig in gerichtliche Auseinandersetzungen gedrängt. Auf die Belegschaft soll der Betriebsrat wie ein Prozesshansel wirken. Gleichzeitig wird er gehindert, seine eigentliche Betriebsratsarbeit zu tun.

DRUCK+PAPIER: Was wird Betriebsräten angetan?

Wolfgang Alles: Es wird versucht, einen Keil zwischen den Vorsitzenden und das Gremium zu treiben oder zwischen Gremium und Belegschaft. Da wird behauptet, der Betriebsrat koste so viel Geld, dass nun Sozialleistungen eingespart werden müssten. Oder das Unternehmen organisiert Mails von Beschäftigten, die den Betriebsrat angreifen oder seine Arbeit abwerten. Es werden Vorwürfe von angeblich falschen Reisekostenabrechnungen oder angeblichem Arbeitszeitbetrug konstruiert. Es wird gedroht, nicht mehr in den Standort zu investieren oder ihn zu schließen. Es werden Ehefrauen kontaktiert, ob sie nicht auf den Mann einwirken könnten, Reifen zerstochen, GPS-Sender am Auto des Betriebsrats angebracht, bespitzelt, körperlich angegriffen …

Das klingt sehr dramatisch …

… und unglaublich. So werden Betroffene fertiggemacht. Viele wissen nicht, dass Firmen – unterstützt von »Unrechtskanzleien«, Unternehmensberatungen und Detekteien – nach einem Drehbuch vorgehen, um jemanden systematisch zu zermürben. Die Kolleg*innen sind einem ständigen kriminellen Kleinkrieg ausgesetzt, der kaputt macht, Ehen zerstört und die Psyche schwer beschädigt.

Wie kann sich jemand wehren?

Wir brauchen starke Belegschaften, engagierte Vertrauensleute und kämpferische Betriebsräte. Das ist eine gute Vorbeugung gegen Betriebsrats-Mobbing. Im konkreten Fall das Gremium und das persönliche Umfeld informieren. Außerdem ein Mobbingtagebuch führen und detailliert aufzeichnen, wer was wann im Beisein welcher Zeug*innen gesagt hat. Das kann vor Gericht als Beweis gelten. Die Gewerkschaft zu Hilfe holen, sich einen guten Rechtsbeistand für Arbeitsrecht nehmen, die Belegschaft auf Betriebsversammlungen informieren, gegebenenfalls an die Medien gehen und sich an ein Komitee wie unseres wenden.

Wolfgang Alles, viele Jahre Betriebsratsmitglied bei Alstom Power in Mannheim, hat das Komitee »Solidarität gegen Betriebsrats-Mobbing!« mitgegründet. 
www. gegen-br-mobbing.de

Karikatur: Thomas Plaßmann

Das Komitee

Etwa 30 Aktive unterstützen Betriebsräte, die von Mobbing betroffen sind, begleiten sie zu Arbeitsgerichtsprozessen, machen öffentliche Kundgebungen und wirken auf die Gewerkschaften ein, Taskforces einzurichten, die schnell und effektiv eingreifen. Jährlich wird eine bundesweite Konferenz »Betriebsräte im Visier« in Mannheim veranstaltet. Dieses Jahr am 17. Oktober. t1p.de/br-mobbing

Keine Einzelfälle

Unternehmen schüchtern Kandidat*innen ein, drohen mit Kündigung oder verhindern, dass ein Wahlvorstand bestellt wird. Oft werden auch unternehmernahe Listen aufgestellt. Besonders in mittelgroßen inhabergeführten Betrieben werden Beschäftigte unter Druck gesetzt, wenn sie einen Betriebsrat gründen wollen. In rund einem Drittel der Fälle sind Unternehmen erfolgreich. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Das Gesetz – wirkungslos

Wer die Wahl oder die Tätigkeit des Betriebsrats behindert oder stört, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft. So steht es in Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes. Tatsächlich ist kaum ein Fall bekannt, in dem ein Unternehmer aus diesem Grund verurteilt worden ist. Ein stumpfes Schwert, kritisieren die Gewerkschaften. Der DGB fordert sogenannte Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften – spezialisiert auf Angriffe gegen Betriebsräte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) überlegt, von einem Antrags- auf ein Offizialdelikt umzustellen. Damit wären Staatsanwaltschaften automatisch verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn sie von derlei Gesetzesverstößen erfahren.