Mit Sicherheit im Recht

Sorry, Chef, da irren Sie!

Teil 2: Krank zu Hause und der Chef bestellt mich in die Firma. Darf er das? Nein. Muss ich ihm sagen, welche Krankheit ich habe? Noch mal Nein. DRUCK+PAPIER hat arbeitsrechtliche Fragen von Beschäftigten gesammelt. Bei den Antworten hat uns Rechtsanwalt Daniel Schäfer aus Darmstadt beraten.

Darf mich mein Chef während meiner Krankschreibung zu Hause anrufen und zu einem Personalgespräch einbestellen?

Nein. Grundsätzlich kann ein Unternehmer Beschäftigte anweisen, zu einem Personalgespräch zu erscheinen. Das Weisungsrecht gilt für das Was, Wann, Wo, also die konkrete Ausgestaltung der im Arbeitsvertrag beschriebenen Arbeitsleistung. Zur Teilnahme an Personalgesprächen, in denen es um Vertragsänderungen oder gar Beendigung geht, können Beschäftigte dagegen nicht verpflichtet werden. Im speziellen Fall: Bei Krankheit sind Beschäftigte überhaupt nicht verpflichtet, zu einem Personalgespräch im Betrieb zu erscheinen. Seltene Ausnahme sind sehr dringende betriebliche Gründe unter der Bedingung, dass jemand gesundheitlich dazu in der Lage ist. Allerdings ist es dem Unternehmer nicht verboten, trotz Arbeitsunfähigkeit mit Beschäftigten »in einem zeitlich angemessenen Umfang« in Kontakt zu treten. Er könnte zum Beispiel anrufen, um über den Einsatz nach dem Ende der Krankheit zu sprechen. Doch selbst für eine frühzeitige Absprache braucht er ein »berechtigtes Interesse«, sagt das Bundesarbeitsgericht.

Muss ich sagen, woran ich erkrankt bin?

Nein. Gegen den Willen der Beschäftigten hat der Unternehmer keinen Anspruch zu erfahren, an welcher Krankheit jemand leidet. Deshalb ist auf dem für den Arbeitgeber bestimmten Teil der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch keine Diagnose angegeben. Wer dem Unternehmen dennoch den Grund der Erkrankung mitteilt, sollte bedenken, dass diese Information unter Umständen zum eigenen Nachteil genutzt werden kann.

Und wenn ich im Urlaub krank werde?

Wer krank ist, kann sich nicht erholen. Krankheitstage in den Ferien werden deshalb rückwirkend gutgeschrieben. Allerdings nur, wenn ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat. Solch eine Bescheinigung müssen sich Erkrankte auch während einer Auslandsreise ausstellen lassen und dann im Betrieb vorlegen. Und: Den Urlaub am Ende einfach um die verlorenen Tage zu verlängern, geht leider nicht!

Es heißt, die Gespräche zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement sind freiwillig. Kann mir dennoch etwas passieren, wenn ich nicht daran teilnehme?

Stimmt. Die Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ist für Beschäftigte immer freiwillig. Niemand kann dazu gezwungen werden. Unternehmen dagegen sind gesetzlich verpflichtet, Beschäftigten, die mehr als sechs Wochen im Jahr krank waren, ein BEM anzubieten. Dabei soll das Unternehmen klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann. Betriebsräte haben ein Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz, können also auch beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement mitreden. Für die Betroffenen selbst ist das BEM ein Angebot, das im besten Fall vor Arbeitslosigkeit oder Frühverrentung schützen kann. Es geht darum, individuelle Lösungen zu finden, etwa den Arbeitsplatz umzugestalten oder die Arbeitszeit anzupassen. Das sollte jemand auch einfordern. Die Teilnahme leichtfertig und generell zu verweigern, ist dagegen nicht ratsam. Sollte nach gescheiterten Eingliederungsversuchen eine Kündigung drohen, nutzt die Ablehnung womöglich dem Unternehmer als Argument.

Darf ich mich beim Betriebsrat über meinen Vorgesetzten beschweren?

Ja. Jede*r Beschäftigte, die oder der sich individuell benachteiligt, ungerecht behandelt oder beeinträchtigt fühlt, hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen im Betrieb zu beschweren. So bestimmt es § 84 des Betriebsverfassungsgesetzes. Man darf sich auch zuerst an den Betriebsrat wenden und um Unterstützung bitten. Werden durch die Beschwerde gleichzeitig Beteiligungs- oder Mitbestimmungsrechte erfasst, etwa in Arbeitszeitfragen, sollte der Betriebsrat sogar von sich aus tätig werden. Auch in individuellen Fällen wird er prüfen, ob die Beschwerde berechtigt ist. In der Regel wird der Betriebsrat vom Unternehmen Abhilfe fordern. Dafür hat es im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zu sorgen. Eine Ablehnung müsste das Unternehmen begründen. Der Betriebsrat kann dann nötigenfalls eine Einigungsstelle anrufen. Sind Individualrechte betroffen, kann ein Beschäftigter vorm Arbeitsgericht klagen.

Ich möchte meinen Teilzeitjob aufstocken. Sollte ich das tun?

Unbedingt. Einen Anspruch darauf gibt es aber leider nicht. Noch immer sitzt hierzulande fast jede zweite Frau in der Teilzeitfalle. Sie arbeitet verkürzt, bekommt weniger Entgelt und hat geringere Rentenansprüche. Neue gesetzliche Regelungen zum Teilzeitrecht sollen seit 2019 die Rückkehr in Vollzeit erleichtern. So wurde ein befristeter Teilzeitanspruch (Brückenteilzeit) eingeführt. Unternehmen können eine Aufstockung der Arbeitszeit auch nicht mehr einfach ablehnen, sondern müssen notfalls beweisen, welche Gründe dagegen sprechen.

Beschäftigte müssen eine Aufstockung schriftlich beantragen und am besten auf einen konkreten Arbeitsplatz beziehen. Denn bei der Besetzung freier Stellen sind Teilzeitkräfte bevorzugt zu berücksichtigen. Unternehmen müssen auf einen Verlängerungswunsch nur eingehen, wenn tatsächlich ein entsprechender Arbeitsplatz besetzt werden soll. Bewerben sich mehrere geeignete Teilzeitbeschäftigte, darf das Unternehmen frei wählen. Dabei hat es allerdings soziale, familiäre und persönliche Belange zu berücksichtigen.

Noch mehr Fragen?
Dann schreibt uns: drupa@verdi.de
Wir sammeln die Fragen und veröffentlichen sie bei Interesse in DRUCK+PAPIER.

Teil 1 unserer Serie zum Arbeitsrecht stand in DRUCK+PAPIER 1/2020:
verdi-drupa.de/2020/02/02/dem-chef-kontra-geben/

Herr Schäfer, eine Frage!

Was läuft bei der Kurzarbeit in Betrieben mit Betriebsrat besser?

»Ganz viel. In Betrieben mit Betriebsrat kann Kurzarbeit nur geregelt werden, wenn der Betriebsrat in Form einer Betriebsvereinbarung zustimmt. Ein Betriebsrat, der für die gesamte Belegschaft spricht, hat eine größere Verhandlungsmacht als einzelne Beschäftigte in einem betriebsratslosen Betrieb. In der Corona-Krise hieß Kurzarbeit für viele Belegschaften, die bislang keinen Betriebsrat gewählt hatten, eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag unterschreiben zu müssen und zu akzeptieren, dass Arbeitszeit und Vergütung reduziert wurden. Aus Angst vor Arbeitsplatzverlust taten das viele zähneknirschend.

Worauf Betriebsräte bei Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit besonders achten sollten:

Eine gerechte Verteilung der Arbeit. Nicht alle Abteilungen eines Betriebes sind gleich stark von der Krise betroffen. Grad und Dauer von Kurzarbeit sollten abteilungsspezifisch ermittelt und auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Auch innerhalb der jeweiligen Beschäftigtengruppen sollte die Verteilung gerecht erfolgen.

Daniel Schäfer, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender und ehrenamtlicher ver.di-Funktionär, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Seine Anwaltskanzlei Mansholt und Kollegen in Darmstadt vertritt Beschäftigte sowie Personal- und Betriebsräte zum Arbeitsrecht.

www.mansholt-lodzik.de

Die finanzielle Aufstockung des Kurzarbeitergelds. Für die ausgefallene Arbeit erhalten die Beschäftigten zunächst 60 (mit mindestens einem Kind 67) Prozent ihrer Nettovergütung für die ausgefallene Arbeitszeit von der Bundesagentur für Arbeit. Dauert die Kurzarbeit länger und fällt mindestens die Hälfte der Arbeit weg, wird das Kurzarbeitergeld auf 70 Prozent (mit Kind 77 Prozent) erhöht, ab dem siebten Monat auf 80 Prozent (mit Kind 87 Prozent). Doch eine Aufstockung durch das Unternehmen ist schon ab dem ersten Tag für viele Beschäftigte existenziell wichtig.

Sonderregelungen für besondere Beschäftigtengruppen. Minijobber*innen haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Für sie kann der Betriebsrat eine Sonderregelung vereinbaren.

Eine Beschäftigungsgarantie. Betriebsbedingte Kündigungen sollten unbedingt als Gegenleistung für Vergütungsverzicht ausgeschlossen werden. Auch über die Dauer der Kurzarbeit hinaus.

Daneben gibt es weitere Themen, die Betriebsräte im Blick haben sollten, etwa Regelungen über die Rückführung der Kurzarbeit, den Umgang mit Urlaub, Arbeitszeitkonten und vieles mehr.

Fazit: Wie wichtig ein Betriebsrat ist, zeigt sich besonders in Krisenzeiten.«