Strichätzung

1.000 Jahre Knast

Viele denken nach jedem Urlaub: Er ging wieder viel zu schnell vorbei! Dieses Jahr ist auch das anders. Die meisten Deutschen blieben zwischen Boden-, Nord- und Ostsee und lernten die eigenen Landsleute besser kennen. Was bei den meisten den Wunsch vergrößert hat, kommendes Jahr unbedingt wieder möglichst weit weg zu fahren. Schließlich will man sich erholen. Wie soll das gehen, wenn man jedes Wort vom Nebentisch versteht?

Und dann die – trotz oder wegen der Abstandsregeln – überfüllten Strände: Die Handtuchschlachten von Rügen, Sylt und Norderney sind jetzt schon Legende! Die Vermieter von Ferienwohnungen am Meer haben sich auch dankbar gezeigt und die Mieten aus Patriotismus teils verdoppelt.

Doch es hat auch Vorteile, in der Heimat Urlaub zu machen. Wer Erholung in Gütersloh, Chemnitz oder Wolfsburg gesucht hat, kommt nach Hause und hat auf jeden Fall das Gefühl: Jetzt fängt der Urlaub endlich an!

Es gab natürlich auch Auslandsreisen. Die Botschafter der deutschen Leitkultur machten mal wieder »bella figura«. Besonders am Ballermann zwischen Bier- und Schinkenstraße lieferten die sonnenbrandroten, teutonischen Sauftouristen viele Argumente dafür, dass man die Grenzen für Seuchentouristen doch erst später hätte öffnen sollen. Palma ist nicht Ischgl, aber Idioten bleiben überall Idioten!

Und die Reichen? Ich stelle mir ein Kreuzfahrtschiff vor, die »MS UTOPIA«, auf dem sie in frei gewählter Quarantäne der Corona-Krise für immer davonschwimmen. Auf dem Sonnendeck lassen sie sich vom osteuropäischen Dienstleistungspersonal bedienen. Unter Deck schuften die Matrosen aus der Dritten Welt. Und Clemens Tönnies, Ex-Wirecard-Vize-Chef Marsalek und der frühere VW-Boss Winterkorn spielen am »1.000 Jahre Knast«-Stammtisch mit der hochwohlgeborenen, professionellen Nichtstuerin Gloria von Tut-und-Tatnix Bingo.

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