Aus den Betrieben

Für den Brexit gewappnet

Der EU-Austritt Großbritanniens gefährdet auch die Arbeit der Europäischen Betriebsräte | Warum DS Smith seine britischen Mitglieder weiter mitreden lässt

Von den vollmundigen Versprechungen, mit denen die Befürworter*innen des Brexits in Großbritannien für den Austritt aus der EU getrommelt haben, hat sich bislang nichts bewahrheitet. Seit das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 die Europäische Union verlassen hat, ist nichts besser geworden, nur vieles unsicher. Dazu gehört auch die Frage, wie es weitergeht mit den Rechten der Beschäftigten in grenzüberschreitend tätigen britischen Unternehmen. Bislang gilt: Wenn ein Unternehmen EU-weit mehr als 1.000 Menschen beschäftigt und davon in zwei Mitgliedstaaten jeweils mehr als 150, dann muss es einen Europäischen Betriebsrat (EBR) geben. So regelt es eine EU-Richtlinie.

Sollten die britische Regierung und die EU in der vereinbarten Übergangsfrist bis zum Jahresende nicht noch etwas anderes aushandeln, dann wird diese Vorschrift von 2021 an auf der Insel der Vergangenheit angehören. Droht damit die massenhafte Auflösung von European Work Councils, 
wie die Interessenvertretungen im Königreich heißen? Nein, das nicht. Denn die Richtlinie gilt auch für Unternehmen, die ihren Hauptsitz außerhalb der EU haben.

Briten fliegen raus

Aber: Weil die britischen Kolleg*innen künftig nicht mehr mitzählen, wird manche Firma unter die Grenze von 1.000 Beschäftigten rutschen und damit nicht mehr verpflichtet sein, einen Europäischen Betriebsrat einzurichten. Damit fehlt dort künftig eine Instanz, die bei länderübergreifend wirksamen Unternehmensentscheidungen informiert und angehört werden muss. Und aus bestehenden Europäischen Betriebsräten fliegen die britischen Mitglieder hinaus. Es sei denn, im Unternehmen wird eine andere Vereinbarung getroffen. Das ist bei Eurobetriebsräten immer möglich: Für deren Zusammensetzung und Arbeitsweise gibt das Gesetz nur einen Rahmen vor, der Rest ist Verhandlungssache zwischen Management und Beschäftigten.

Der in London ansässige Verpackungshersteller DS Smith hat schon seit 1996 einen EBR – von den weltweit 31.000 Beschäftigten arbeiten die meisten in Europa, allein 
in Deutschland sind es mehr als 3.000 an 
26 Standorten. Die zugrunde liegende EBR-Vereinbarung wurde im Januar 2019 aktualisiert – »in weiser Voraussicht«, wie es Pejo Vukic, IT-Administrator bei DS Smith in Mannheim und seit 2013 im Eurobetriebsrat, formuliert. »Man hat sich Gedanken gemacht, was bei einem harten oder ungeregelten Brexit passieren könnte.« So wurde unter anderem festgelegt, dass die britischen EBR-Mitglieder ihre Mandate und Ämter auch als Drittstaatler behalten können. Für DS Smith sei das kein ungewöhnlicher Schritt gewesen, erklärt Vukic: »Das Unternehmen hat sich von Anfang an auf die Fahne geschrieben, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Nicht-EU-Ländern einzubeziehen.« Schon seit Langem hätten deshalb Kolleg*innen etwa aus Mazedonien, Serbien oder der Türkei die Möglichkeit, aktiv im Europäischen Betriebsrat mitzuwirken.

Nah an der Geschäftsführung

Hinzu kommt: So viele Beschäftigte wie in Großbritannien hat DS Smith in keinem anderen Land. Ausgerechnet ihre Vertreter*innen nicht mehr mitreden zu lassen, sagt Simon Dubbins von der britischen Gewerkschaft Unite the UNION, wäre sinnlos. Der Gewerkschafter hat freilich noch eine andere Erklärung, warum DS Smith an der bestehenden Zusammensetzung festhalten möchte. »Die Schlüsselpositionen im EBR«, sagt er, »sind aktuell mit Personen besetzt, die sehr starke und enge Beziehungen zur Geschäftsleitung pflegen – manche sagen sogar, zu starke und zu enge.« Und fast alle von ihnen kommen aus dem Vereinigten Königreich. Sie aus dem Gremium auszuschließen, hieße für DS Smith, auch diese lange etablierten Beziehungen aufgeben und sich auf unbekannte Gegenüber einstellen zu müssen.