Rechte und Rassismus

Jeder Widerspruch ist besser als keiner

Rechte Hetze nimmt auch am Arbeitsplatz zu | Was tun, wenn sich Kolleg*innen rassistisch und antidemokratisch äußern?

Da ist der Kollege, der bei jeder Gelegenheit über angeblich kriminelle Flüchtlinge herzieht. Da ist die Kollegin, die in Europa eine groß angelegte »Umvolkung« am Werk sieht – vermeintlich ausgeheckt von reichen Juden, die die weiße Bevölkerung durch Zugewanderte austauschen wollten. Da ist der Kollege, der demokratische Politiker*innen und Journalist*innen am Galgen sehen möchte. Da ist die Kollegin, die ganz selbstverständlich im T-Shirt einer Neonazi-Band zur Arbeit kommt.

Jede*r Fünfte ein Rechtsaußen

Solche oder ähnliche Erfahrungen haben in Deutschland zuletzt immer mehr Beschäftigte machen müssen. Auch am Arbeitsplatz schlägt sich nieder, wie sich das gesamtgesellschaftliche politische Klima verändert hat: Rechte und rechtsextreme Stimmen werden lauter. Rassistische, antisemitische und andere menschenfeindliche Meinungen werden nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Unter dem Motto »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen« haben sich die Grenzen dessen, was noch als akzeptabler Diskussionsbeitrag gilt, weit nach rechts verschoben.

Aber bedeutet das auch, dass immer mehr Menschen so denken? Teilt die Mehrheit solche rechten und demokratiefeindlichen Einstellungen? »Keineswegs«, sagt der Düsseldorfer Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler. »Die Schere zwischen Einstellung und Verhalten ging in Deutschland jahrzehntelang so weit auseinander wie nirgends sonst in Europa«, erklärt der Sozialwissenschaftler. »Das hat sich mit dem Auftauchen der AfD verändert.« 

Soll heißen: Ein gewisser Teil der Bevölkerung, laut wissenschaftlichen Untersuchungen rund 20 Prozent, neigte in der Bundesrepublik immer schon stark nach Rechtsaußen, zeigte das aber nicht offen oder durch ein entsprechendes Wahlverhalten. Diese Menschen haben mit dem Aufstieg der AfD und der großen öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit neues Selbstbewusstsein gewonnen. Mehr geworden seien sie dadurch nicht, sagt Häusler. Nur viel lauter.

Schweigen und nichts zu sagen zählt als Zustimmung 

Das sieht auch Petra Schickert so. Die Mitarbeiterin der »Mobilen Beratung« in Sachsen berät Kommunen, Organisationen, aber auch Unternehmen und Beschäftigte beim Umgang mit Rechtsextremismus. »Das Hauptproblem in der Gesellschaft ist, dass zu wenige widersprechen«, sagt sie. »Aber wenn wir nicht widersprechen, ist das wie Zustimmung.« Rechte fühlten sich dann in ihrem Irrglauben, eine Mehrheit zu repräsentieren, weiter bestärkt. Doch wie geht das mit dem Widerspruch?

»Erfahrungsgemäß legen viele Menschen die Messlatte für sich zu hoch.« Sie würden glauben, nur dann etwas gegen rechte Hetze sagen zu können, wenn sie jede Behauptung inhaltlich entkräften können. Natürlich muss, wer argumentieren will, die Fakten kennen. Doch man könne auch schlicht Fragen stellen und Widersprüche aufzeigen: Wer sind denn »die Ausländer«, von denen du da sprichst? Wer sind denn »alle«? Und woher willst du das eigentlich wissen? Wer sich auch das nicht zutraut, muss trotzdem nicht schweigen. »Wir ermuntern dazu, einfach mal Stopp zu sagen«, erzählt Petra Schickert. Nicht zuletzt, um Kolleg*innen, die direkt von menschenfeindlichen Anfeindungen betroffen sind, etwa weil sie einen migrantischen Hintergrund oder eine dunkle Hautfarbe haben, zu schützen.  

Das Widersprechen üben

Argumentieren, hinterfragen, schützen: »Es ist wichtig, sich zu überlegen: Was ist mein Ziel?«, rät Schickert. Und: Man sollte sich vorher klar werden über die eigene Haltung. In den Handlungs- und Argumentationstrainings der »Mobilen Beratung« – ähnliche Einrichtungen wie in Sachsen gibt es in allen 16 Bundesländern – ist es deshalb eine der zentralen Übungen, sich ein paar deutliche Sätze zur persönlichen Positionierung zurechtzulegen: »Für mich ist die AfD nicht wählbar, weil …« Oder: »Die Demokratie ist mir wichtig, weil …«     

Jeder Widerspruch ist besser als kein Widerspruch. Sozialwissenschaftler Häusler kann das nur unterstreichen. Er rät, sich Hilfe bei der Unternehmensführung, dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft zu suchen. Angenehm sei es zwar nicht, den Konflikt mit rechtslastigen Kolleg*innen zu suchen. »Aber die Alternative ist schlimmer«, sagt er. »Denn die Alternative ist die Verschlechterung des Betriebsklimas auf dem Rücken derjenigen, die von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind.« 

Weitere Informationen zur »Mobilen Beratung« gegen Rechtsextremismus unter www.bundesverband-mobile-beratung.de

Rechte Codes und Symbole

Die Zeiten, als Neonazis in Deutschland immer an ihren kahl geschorenen Schädeln, ihren Bomberjacken und Springerstiefeln erkennbar waren, sind lange vorbei. Heute präsentieren sich Rechtsextreme auf den ersten Blick meist unauffällig. Sie wollen als normaler Teil der Bevölkerung wahrgenommen werden. Das hindert sie jedoch nicht daran, das zu betreiben, was auch Titel der Aufklärungsbroschüre »Versteckspiel« ist: Codes und Symbole zu benutzen, mit denen sich Rechte gegenüber Gleichgesinnten offenbaren, deren Bedeutung Nicht-Eingeweihten dagegen oft verschlossen bleibt.

Beliebt sind Zahlencodes, verwendet beispielsweise in Tätowierungen, aber auch in Mailadressen oder Autokennzeichen. Dabei steht eine Ziffer für die entsprechende Stelle im Alphabet, die 1 also für A oder die 8 für H. 18 meint dann die Initialen Adolf Hitlers, 88 den Hitlergruß oder 28 das verbotene Neonazi-Netzwerk Blood & Honour. Dessen bewaffneter Arm nennt sich Combat 18, mithin: Kampftruppe Adolf Hitler. Die war in Deutschland noch bis vor Kurzem zugelassen und wurde erst im Januar verboten.

Ebenfalls verbreitet sind Abkürzungen, hinter denen sich, wie im Fall von ZOG eine ganze Verschwörungsideologie verbergen kann: ZOG steht für Zionist Occupied Government, also für die antisemitische Behauptung, dass westliche Regierungen jüdisch-zionistisch gesteuert seien. Die Buchstabenkombination HKNKRZ dient ebenso als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz wie die sogenannte Schwarze Sonne – ein vorgeblich nordisch-mythologisches Symbol, eine Kombination aus mehreren Hakenkreuzen und SS-Runen.

Weitere Informationen über Codes, Musik und Kleidermarken von Rechtsextremen: www.dasversteckspiel.de