Unterwegs zu

Unterwegs zum Stadtdrucker

Holzstichmeister Tobias Gellscheid ist 
der 20. Stadtdrucker in der Gutenbergstadt 
Mainz – eine Auszeichnung für Künstler*innen 
 der Druckgrafik

Die schwarze Schiebermütze ist sein Markenzeichen. Ohne die populäre Kopfbedeckung aus den 1920er-Jahren geht Tobias Gellscheid nicht aus dem Haus. »Ich bin ein bisschen retro«, sagt der 36-Jährige, der auch antike Möbel und Fahrräder sammelt. Jetzt hat ihm die Liebe zu den alten Techniken einen neuen Job eingebracht: Der gelernte Bildhauer und Grafiker ist der aktuelle Stadtdrucker von Mainz. Mit dem Preis werden Künstler und Künstlerinnen ausgezeichnet, die mit ihrem druckgrafischen Werk die Bedeutung von Mainz als Gutenbergstadt unterstreichen.

Er liebt den Geruch und die Finesse …

Der aus der thüringischen Druckerstadt Pößneck stammende Gellscheid liebt die alten Verfahren: »Ich mag die Werkstätten, den Geruch und die technische Finesse, die man braucht.« Mit 16 ging der Klempnersohn für die Holzbildhauerlehre nach Flensburg und schloss sie 3 Jahre später als Landessieger ab. Mehrere Jahre reiste er quer durch Europa, jobbte auf Bauernhöfen, als Restaurator in einem Wasserschloss und versuchte sich als freier Künstler in Südtirol. Aber erst während des Studiums an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle (Saale) kam er zu den Holzschnitten und den Holzstichen, mit denen er die Jury beeindruckte. An historischen Vorbildern wie dem Maler Hans Holbein orientieren sich Holzschnitte wie die des verfremdeten kreuztragenden Jesus. Düster wirkende Landschaften aus seiner thüringischen Heimat hat er mit der kaum noch praktizierten Technik des Holzstichs außergewöhnlich fein graviert. Die Fankultur der Beatles ist das Thema von Holzstichkompositionen wie Helter Skelter – Gellscheid ist selbst Fan der legendären Band. Fast fotorealistisch wirken die Werke. Aufwendig sei vor allem die Herstellung der Druckplatten, die sich aus Hunderten von Holzstücken zusammensetzen, erklärt der Künstler.

… und alte DDR-Maschinen

Wenn Gellscheid seine Arbeiten druckt, geht er ins Museum für Druckkunst in Halle (Saale), wo er heute lebt. Am liebsten arbeitet er an einer Maschine, die noch aus DDR-Zeiten stammt, aber auch an gusseisernen Druckpressen aus der Kaiserzeit. In Halle geht er auch seinem Brotjob nach. Seit acht Jahren ist er künstlerischer Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege, für das er vor allem Tonscherben aus der Völkerwanderungszeit zeichnet. Nebenbei schafft er Skulpturen und Plastiken für das Theater. Bislang verkaufen sich seine Werke noch nicht so gut, dass er davon leben könnte. »Das geht jetzt erst los.«

Mit dem mit 6.000 Euro dotierten Stadtdruckerpreis kommt Gellscheid seinem Traum vom freien Künstlerdasein etwas näher. In Mainz ist der mehr als 400 Kilometer entfernt lebende Stadtdrucker bislang allerdings selten präsent. Mit einer Ausstellung soll sich das ändern: Seine Holzstiche werden spätestens im kommenden Jahr im Gutenberg-Museum gezeigt.

Ausstellung für die Ausgezeichneten

Der Mainzer Stadtdrucker wird seit 1988 alle zwei Jahre vergeben und gilt als der 
renommierteste Druckerpreis Deutschlands. Er erinnert an Johannes Gutenberg, den »größten Sohn der Stadt«, der das Drucken mit beweglichen Lettern erfand. Mit dem Preis werden Grafiker*innen, Pressendrucker*innen und Typograf*innen geehrt, die sich in besonderem Maße um die Weiterentwicklung der Druckgrafik verdient gemacht haben. Der erste Preisträger 
war der Drucker und Bildhauer Karlheinz Oswald. Ihm folgten zehn Frauen und neun Männer, die Linol- und Holzschnitte, Tief- und Flachdrucke, Acryl- und Fotoradierungen und sogar Drucke mit Styropor zeigten. Bis 2016 lebten oder arbeiteten sie alle in Mainz. Seitdem ist kein biografischer Bezug zur Landeshauptstadt mehr nötig. Künstler*innen aus ganz Deutschland können sich bewerben. Der Preis ist mit einer Ausstellung im Gutenberg-Museum verbunden.