Druckindustrie

»Das ist nicht 
 mehr aufzuhalten«

Vernetzung weit fortgeschritten | Mit Subskriptionsmodell entsteht 
mehr Abhängigkeit vom Maschinenhersteller

Der Faltschachtelhersteller Fürther Kartonagen im mittelfränkischen Emskirchen hat vor einem Jahr einen Subskriptionsvertrag unterschrieben – dazu gehören zwei Druckmaschinen und die Verbrauchsmaterialien für alle Maschinen. Toni Steffens, der kaufmännische Leiter von Weig-Packaging, wozu die Fürther Kartonagen gehören, hält die Entscheidung für richtig. Weil Heidelberger Druckmaschinen einen Preis pro Bogen verlangen, seien sie genauso wie Weig an einem hohen Ausstoß interessiert. Es gebe regelmäßige Schulungen für die Beschäftigten, Heidelberg analysiere die Kennzahlen der Maschinen und habe mit Rüstworkshops bereits für Verbesserungen gesorgt.

Die Arbeitsplätze von Druckern sieht er nicht gefährdet. »Sie sind nach wie vor mit Rüsten, Qualitätssicherung, Farbversorgung und vielem mehr beschäftigt. So eine Druckmaschine läuft nicht von selbst.«

Know-how herausgegeben

Allerdings begebe sich die Firma in eine Abhängigkeit. Was einmal ausgelagert wurde, so Steffens, sei schwer wieder selbst durchzuführen. »Man verliert Kontakte und verlernt vermutlich einiges.« Von daher sei davon auszugehen, dass der Vertrag nach den fünf Jahren weitergeführt werde.

Dem Betriebsrat einer Druckerei, die ebenfalls seit einem Jahr einen Subskriptionsvertrag unterhält, bereitet die Abhängigkeit Unbehagen. Ebenso wie die finanziellen Verpflichtungen, mit denen sich Heidelberg einen regelmäßigen Geldfluss sichert: Die Druckerei zahlt jeden Monat 100.000 Euro. Im Jahr 1,2 Millionen Euro. Das hat Heidelberg auch so kalkuliert: Pro Vertrag rechnet die Aktiengesellschaft mit einem durchschnittlichen jährlichen Umsatz von einer Million Euro.

Bislang wurden 45 Subskriptionsverträge weltweit abgeschlossen, die Hälfte davon in Europa. 100 peilt Heidelberg bis März 2020 an. Insgesamt habe man 600 Unternehmen identifiziert, die für das Subskriptionsmodell in Frage kämen.

Das rüttelt den Markt durch

»Wir sind sehr an dem Subskriptionsmodell interessiert«, erklärt ein Manager, der nicht namentlich genannt werden möchte. Dass Heidelberger Druckmaschinen dadurch tiefen Einblick in die Daten und Geschäfte erhielten, sei ihm bewusst. »Die Vernetzung ist ohnehin schon so weit vorangeschritten. Bis in den Drucksaal hinein. Das ist nicht mehr aufzuhalten. Dann gestalten wir lieber mit.«

Das Subskriptionsmodell von Heidelberg werde den umkämpften Markt der Druckunternehmen durchrütteln, sagt Lutz Michel vom Beratungsinstitut mmb in Essen. Die einen würden profitabler, die anderen hätten das Nachsehen. Michel hat im Auftrag der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zum Digitaldruck durchgeführt und sich dabei auch mit neuen Geschäftsmodellen im Druckmarkt beschäftigt.

Skepsis gibt es auch an anderer Stelle: Einige Druckunternehmen, besonders die größeren der Branche, möchten ungern die Kontrolle über die Verbrauchsmaterialien aus der Hand geben. Das gilt ähnlich auch für die Instandhaltung. Große Druckereien verfügen selbst über gut ausgebildete Handwerker, die bei Störungen – anders als Heidelberg – sofort zu Stelle sind.

Attraktiv finden etliche Betriebe langfristige Leistungszusagen. Bislang ist das Druckunternehmen nach Ablauf der Garantie mit der Maschine alleingelassen. Nicht selten seien im Nachhinein kostspielige Nachrüstungen notwendig, klagen die Druckunternehmen. Oft bekämen die Hersteller die täglichen Probleme mit der Maschine gar nicht mit. Das wäre anders, wenn die Hersteller mit den Druckereien sogenannte Lifecycle-Verträge abschlössen, einen Wartungs- und Performancevertrag über die Lebensdauer einer Maschine. Dann wäre auch der Hersteller daran interessiert, die Maschine ständig zu verbessern. Das bestätigt ein Manager: Die über einen mehrjährigen Servicevertrag abgesicherten Druckmaschinen seien in einem Topzustand.

Für die drupa 2020 hat Heidelberg das nächste Projekt angekündigt: die Plattform Hei.OS. Designer, Farbhersteller, Papierlieferanten, Druckereien – alle sollen sich auf der Heidelberg-Plattform tummeln. Die einen bieten, die anderen kaufen. Gegen eine Gebühr. Alles an einer Stelle. Konzentriert auf einer Plattform.

 

Von der 
Abrechnung bis zu 
den Arbeitsplätzen



Wie das Geschäftsmodell 
funktioniert

Hat Heidelberger 
Druckmaschinen das Geschäftsmodell erfunden?

Nein. Das gibt es häufiger, etwa bei Car-Sharing. Wer kein Auto kaufen, aber trotzdem eins fahren möchte, bucht den Pkw und bezahlt pro Minute oder Kilometer. Basispreis plus Zahlen nach Verbrauch gibt es auch in anderen Branchen: Dort wird pro Schweißnaht bezahlt oder pro Kubikmeter Druckluft. Heidelberger Druckmaschinen sind allerdings die ersten und bislang einzigen, die das Modell in der Printmedienindustrie zu etablieren versuchen. Koenig & Bauer, der Druckmaschinenhersteller aus Würzburg, bietet das Geschäftsmodell nicht an. Möglich wird es durch die Digitalisierung: miteinander kommunizierende Maschinen, Sensoren, automatischer Datenaustausch.

Wie wird 
abgerechnet?

Heidelberg wirbt damit, dass nach Zahl der bedruckten Bögen (Pay per Use) abgerechnet wird. Ganz richtig ist das nicht. Der Druckmaschinenhersteller führt drei Komponenten auf. Zunächst müsse die Druckerei etwa zehn Prozent des Maschinenwerts bezahlen. Dazu gebe es einen Basispreis – der Kunde verpflichte sich, ein bestimmtes Druckvolumen pro Jahr abzunehmen. Zusätzlich werde pro Bogen bezahlt.

Was sollte der Betriebsrat tun?

Der Betriebsrat sollte hellhörig sein, wenn die Druckerei solche Geschäftsmodelle ankündigt. Vor Vertragsabschluss durchleuchtet Heidelberger Druckmaschinen die Kennzahlen der Druckerei, etwa die Entwicklung von Produktivitäts- und Auftragszahlen. Da die Druckerei pro bedrucktem Bogen zahlt, hat Heidelberg ein Interesse daran, dass der Druckausstoß hoch ist. Das wird der Maschinenhersteller auch mit längeren Maschinenlaufzeiten erreichen wollen – was wiederum eine Ausweitung 
von Schichtarbeit nach sich zieht. Hier 
hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.

Wozu ist 
die Druckerei gegen
über dem Betriebsrat 
verpflichtet?

Geht eine Druckerei ein solches Geschäftsmodell mit Heidelberg ein, muss sie nach Paragraf 90 Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsrat über die Planung von technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsläufen informieren. Die Auswirkungen auf die Beschäftigten hat der Unternehmer mit dem Betriebsrat rechtzeitig zu beraten, sodass Vorschläge des Betriebsrats berücksichtigt werden können. Des Weiteren muss der Unternehmer über die Personalplanung informieren (Paragraf 92). Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach Paragraf 87, wenn das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten dadurch überwacht werden könnten.

Drohen 
Arbeitsplätze 
im Druckbereich 
wegzufallen?

Heidelberg sagt Nein. Das Unternehmen liefert Maschinen, Software, Materialien wie Lacke, Farben, Platten sowie Service und Training. Aber nicht Drucker*innen und Helfer. Allerdings werden Tätigkeiten wie der Einkauf oder die Betriebstechnik an Heidelberg ausgelagert, die einst in der Druckerei ausgeführt wurden. Das kann durchaus Arbeitsplätze kosten.

Wer übernimmt künftig 
welche Aufgaben?

Bevor eine Maschine aus diesem Vertragsmodell in der Druckerei aufgestellt wird, werden die Drucker*innen in Wiesloch geschult. Versorgen, Entstören, Reparieren und Warten übernimmt künftig Heidelberger Druckmaschinen: »Das überlassen wir nicht dem Kunden.« 
Die Druckereien seien aber weiterhin selbst dafür verantwortlich, dass ein verkaufbarer Bogen aus der Maschine komme.

Wird die 
Tätigkeit der 
Drucker*innen damit entwertet?

Heidelberg sagt Nein. Der Drucker habe weiter seine Daseinsberechtigung. Ihn könne man auch nicht ersetzen. Seine Aufgabe sei es, das Potenzial der Drucksysteme auszuschöpfen. Verändern sich die Aufgaben für die 
Drucker*innen, liege das nicht am Subskriptionsmodell, sondern an der Technologie neuer Druckmaschinen.