Umweltschutz

Alles öko
 oder was

Warum die Wellpappkiste nicht so umweltfreundlich ist, 
 wie Hersteller und Händler behaupten

Plastiktüten sind verpönt. Sie vermüllen das Meer, verstopfen die Mägen von Walen und brauchen Jahre, bis sie verrotten. Außerdem werden Plastiktüten aus Erdöl hergestellt und das ist irgendwann aufgebraucht. Also besser den Einkauf in eine Wellpappkiste packen? Große Einkaufsketten werben mit den angeblich umweltfreundlichen Boxen. Mit Kartons die Welt retten? Vermeiden wäre besser.

Wellpappkartons sind ein tolles Produkt: verhältnismäßig leicht, stabil, in vielen Formen und Größen produzierbar, gut zu lagern und wiederzuverwerten. Selbst wenn sie – statt in der Altpapiertonne – mal in der Landschaft landen, verrotten sie nach kurzer Zeit, ohne der Umwelt zu schaden. Das spricht für sie.

Doch ob die Ökobilanz eines Produktes gut ist oder schlecht, hat nicht nur mit der Entsorgung zu tun, sondern 
auch mit der Herstellung. Und da fällt 
der Fußabdruck bei Wellpappe eher riesig aus.

Obwohl mindestens 60 Prozent des Kartons aus Altpapier gewonnen werden, braucht es für Wellpappe immer auch lange Frischfasern aus Holz – einem sehr langsam nachwachsenden Rohstoff. Eine Fichte wächst 70 Jahre. Um den Zellstoff zu gewinnen, muss das Holz mit chemischen Verfahren behandelt werden.

Zur Ökobilanz gehören auch die Herstellung von Rohpapier und Leim, der Verbrauch von Wasser, Energie und sonstigen Ressourcen. Eine Tonne Wellpappe zu produzieren, belastet die Umwelt mit so viel Kohlendioxid (CO2) wie der Flug einer Person nach Mallorca und zurück. Eine Tonne Papier aus Frischfasern herzustellen, verschlingt etwa so viel Energie wie die Produktion einer Tonne Stahl. Fazit: Werkfrische Wellpappe hat bereits eine saftige Umwelthypothek angesammelt.

Noch schlechter fällt die Ökobilanz aus, wenn es nicht um Wellpappe für Transport- oder Umverpackungen geht, sondern um sogenannten Verbundkarton, etwa für Getränke- oder Obstverpackung. Hier ist die Herstellung noch ressourcenintensiver, weil Barrieren eingebaut, Kunststoffbeschichtungen aufgebracht oder Metall aufgedampft werden, um die Kartonage gegen äußere Einflüsse dicht und undurchlässig für Flüssigkeiten oder fetthaltige Lebensmittel zu machen. Auch das Recycling wird schwieriger, da die Schichten in speziellen Anlagen erst wieder getrennt werden müssen. Lange Zeit ließ sich wirtschaftlich nur der Zellstoff wiederverwerten, inzwischen werden auch Folienreste aufgearbeitet. Dennoch sind Einwegkartons für Fruchtsäfte und Milch pfandfrei.

Vergleicht man das mit Polyethylen oder Polypropylen, die in Deutschland am häufigsten auch für Verpackungen verwandten Kunststoffe aus Erdöl, zeigt sich: Deren Herstellung braucht nur einen Bruchteil an Energie und Wasser. Wenn Plastiktragetaschenhersteller auf den vergleichsweise »kleinsten ökologischen Fußabdruck« ihrer Tüten verweisen, ist das nicht falsch. Doch Erdöl ist eine endliche Ressource. Und wenn Plastikmüll nicht ordnungsgemäß entsorgt wird, zersetzt er sich sehr langsam, im Meer wohl erst in 450 Jahren. Um den Verbrauch zu drosseln, gibt’s die Plastiktüten an der Kasse deshalb kaum noch umsonst.

Fakt ist: Viele Lebensmittel können 
ohne eine geeignete Verpackung nicht gelagert, verteilt oder verkauft werden. Doch bieten sich für (fast) jedes Produkt gute Alternativen an. Entscheiden müssen die Hersteller. Das neue Verpackungsgesetz verlangt von ihnen, dass »Verpackungsabfälle vorrangig vermieden« und darüber hinaus einer »Wiederverwendung oder dem Recycling zugeführt« werden. Dafür legt es 
Quoten fest. Für Pappe und Karton etwa soll die Verwertung von heute 70 auf 90 Prozent im Jahr 2022 gesteigert werden. Das gilt auch für Kunststoffe.

Einweg ist kein guter Weg

Zurück zur Wellpappe. Nicht die Kisten für den Einkauf und schon gar nicht die Versandkartons sind ökologisch akzeptabel. Einweg ist eine Sackgasse. Wenn die Transportkartons von Rewe und anderen Einzelhändlern mehrfach verwendet werden, haben sie einen kleineren Öko-Fußabdruck, als wenn sie nach einmaligem Gebrauch in der Tonne landen. Sinnvoller wäre aber, der Kundschaft im Supermarkt die großen Tragetaschen mit Nylonhenkeln für einen Euro ans Herz zu legen. Die sind robust, langlebig und ein nahezu komplettes Recyclingprodukt. Umweltverbände empfehlen sie vorbehaltlos.

15 Millionen Tonnen 
Altpapier werden pro Jahr in Deutschland gesammelt und zum großen Teil wiederverwertet.
Foto: Doin Oakenhelm – stock.adobe.com

Was bedeutet eigentlich …

Biobasiert…

ist ein Kunststoff, der bei der Verarbeitung nachwachsender, natürlicher Rohstoffe entsteht, zum Beispiel Kunststoffe auf Zuckerbasis (PLA-Kunststoffe). Sie sind nicht immer biologisch abbaubar oder gar kompostierbar, entsprechen ihrer biologischen Herkunft her aber der EU-Norm EN 16575.

Biologisch abbaubar…

sind Produkte, die vollständig aus natürlichen Rohstoffen hergestellt wurden. Sie sind auch auf natürlichem Wege – also biologisch – durch Pilze und Bakterien wieder abbaubar. Der Prozess kann ohne technische Anlagen allerdings Jahre dauern.

Kompostierbar…

ist organisches Material dann, wenn es in einer industriellen Kompostieranlage innerhalb von sechs Monaten zu mindestens 90 Prozent biologisch abgebaut werden kann, ohne umweltschädliche Reststoffe zu hinterlassen. So bestimmt es die Norm EN 13432.

Essbare Folie und nach Heu duftende Pappkartons

Viele Hersteller und Händler, speziell Bioproduzenten, wollen endliche Ressourcen schonen. Gegenwärtig wird viel bei der Verpackung experimentiert.

Zum Beispiel mit Boxen und Schalen aus Bagasse, dem pflanzlichen Abfall aus der Zuckerherstellung. Die Behältnisse aus 
faserigem Zuckerrohr sind mikrowellenfest, robust und kompostierbar.

Oder Isoliertaschen und Thermoverpackungen, die mit Hanf statt Styropor ausgestattet sind. Hanfgewächse halten Wärme genauso gut, sind aber vollständig kompostierbar. Selbst aus Milch können Verpackungen entwickelt werden. Folie aus Milchproteinen blockt Sauerstoff 500 Mal besser als Kunststoff. Sie ist biologisch abbaubar und essbar. Gleiches gilt für Verpackungen aus Seetang, die mit einer Art wasserdichter Haut selbst Flüssigkeiten umhüllen können.

Schalen aus Bagasse sind aus Zuckerrohr, umweltfreundlich, robust und verrotten auf dem Kompost. Foto: merrimonc – stock.adobe.com

Auf dem Markt sind bereits Pappkartons, die zu 65 Prozent aus Alt- und zu 35 Prozent aus Graspapier bestehen und leicht nach Heu duften. Für die Herstellung solcher Umverpackungen fällt kein Baum mehr. Auch Tüten und Flaschen aus Biokunststoff (PLA), die auf Basis von Zucker und Maisstärke gewonnen werden, sind schon erprobt. Solche Biobeutel verrotten binnen weniger Wochen selbst auf dem Kompost im Garten.

Plastik durch Biokunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen, klingt vielversprechend. Doch noch ist die Verwertung problematisch: Beim Kompostieren zerfallen solche Verpackungen lediglich in Wasser und Luft, bilden also keinen Humus und vermindern gar die Recyclingqualität anderer Rohstoffe. Oft werden sie in Kompostieranlagen als Störstoffe ausgesondert. Dennoch: Solche nachhaltigen Verpackungen werden in Zukunft die Plastiktüte ersetzen.