Arbeit

Was gegen die Hitze hilft

DRUCK+PAPIER: Steht im Gesetz, was 
der Arbeitgeber bei Sommerhitze im Betrieb tun muss?

Kersten Bux: Leider nicht. In der Arbeitsstättenverordnung steht lediglich, dass in den Arbeitsräumen eine »gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur« herrschen muss. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in der Praxis wenig hilft.

Warum steht darin keine konkrete Zahl?

Weil das bei Temperaturen nicht so einfach ist. Man weiß, dass sich jemand bei einem Sturz von einem Meter Höhe verletzt. Es gibt aber keinen Beweis dafür, dass ab einer Temperatur von – sagen wir – 26 Grad die Gesundheit gefährdet ist. Wer im Büro arbeitet, ein kurzes Hemd tragen und die Schuhe ausziehen kann und eine Pause machen und jederzeit trinken kann, für den sind 26 Grad nicht gefährlich. Anders sieht das für Beschäftigte aus, die Arbeitshandschuhe, eine dicke Jacke und Sicherheitsschuhe tragen und schwer körperlich arbeiten müssen. Außerdem wird Hitze von Menschen unterschiedlich empfunden und vertragen.

Dr. Kersten Bux, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dresden

Nach Paragraf 3 der Arbeitsstättenverordnung muss der Unternehmer eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und einen Plan aufstellen, welche Maßnahmen er bei eintretender Sommerhitze durchführen wird. Er muss ermitteln, ob die Beschäftigten Gefährdungen ausgesetzt sind und die dann minimieren. Ist die Hitze der richtige Anlass dafür?

Das ist reichlich spät. Um noch rechtzeitig mit Maßnahmen gegenzusteuern, sollte der Arbeitgeber bereits im Frühjahr eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Dazu ist er per Gesetz verpflichtet.

Wo stehen nun konkrete Temperaturangaben?

In der Arbeitsstättenregel ASR A3.5 Raumtemperatur. Dort sind drei Temperaturschwellen genannt: 26, 30 und 35 Grad.

Dort heißt es, dass Maßnahmen ergriffen werden sollen. Das ist kein Muss?

Juristisch bedeutet das Wort sollen, dass es gemacht werden muss, wenn es in der Praxis möglich ist. Allerdings ist die Arbeitsstättenregel kein Gesetz und von daher nicht bindend für den Arbeitgeber. Er muss sich nicht an die Arbeitsstättenregel halten, allerdings Maßnahmen treffen, die die gleiche Wirkung entfalten. Übrigens muss sich der Beschäftigte ebenfalls an die Maßnahmen halten.

Für wen können Temperaturen von über 
26 Grad gesundheitsgefährdend sein?

Für alle, die schwere körperliche Arbeit verrichten, und Arbeits- oder Schutzkleidung tragen müssen. Außerdem für Ältere, Jugendliche und Schwangere. In diesen Fällen muss über weitere Maßnahmen anhand einer angepassten Gefährdungsbeurteilung entschieden werden. Die muss von Fachleuten durchgeführt werden. Der Betriebsrat hat auch hier ein Mitbestimmungsrecht.

Was eignet sich, um Menschen vor Hitze zu schützen?

Wichtig ist der richtige Sonnenschutz. Am besten eignen sich Jalousien, die außen angebracht werden und verhindern, dass die Sonne durch die Scheibe in den Raum strahlt. Außerdem hilft leichtere Kleidung. Bei hohen Temperaturen sind sogenannte Entwärmungsphasen wichtig. Zeit, in der jemand nicht der Hitze ausgesetzt ist, sondern in einem kühleren Raum leichte Arbeiten verrichtet oder – falls das arbeitsorganisatorisch nicht möglich ist – pausiert. Die Zeit muss bezahlt werden. Ich empfehle auch Jobrotationen, also Beschäftigte nicht die gesamte Schicht über an dem heißen Arbeitsplatz einzusetzen, sondern wechselweise woanders arbeiten zu lassen. Sinnvoll ist es auch, das Schichtsystem zu verändern. So dass nicht das gleiche Team über eine ganze Woche zur Spätschicht eingeteilt und damit den belastendsten Temperaturen am Nachmittag ausgesetzt ist.

Gibt es auch technische Maßnahmen?

Klimaanlagen wären geeignet, aber wegen des CO2-Ausstoßes bei der dafür nötigen Energieerzeugung im Kraftwerk nicht zu empfehlen. Es gibt jedoch Lüftungsanlagen, die nachts kalte Luft ins Werk befördern. Die Wirkung hält jedoch nur einige Stunden; die Spätschicht profitiert davon nicht mehr. Für Arbeitsplätze mit Temperaturen von mehr als 35 Grad sind Maßnahmen wie bei Hitzearbeit vorgeschrieben. Eine Möglichkeit ist beispielsweise, dass jemand nach jeder dreiviertel Stunde Arbeit für eine Viertelstunde diesen Arbeitsplatz verlassen muss.

Was können Beschäftigte tun, wenn ihnen die Temperaturen sehr zu schaffen machen, der Arbeitgeber aber nichts dagegen unternimmt und auch der Betriebsrat 
untätig bleibt oder es keinen gibt?

Sie haben das Recht, die Berufsgenossenschaft zu informieren. Möglich ist es auch, die Gewerbeaufsicht zu benachrichtigen.

Was halten Sie davon, Sonnenschirme im Betrieb aufzustellen und Eiscreme zu verteilen?

Sonnenschirme verhindern Blendungen und die direkte Einwirkung der Sonnenstrahlung, aber keine Überwärmung der Räume. Und Eiscreme ist eine nette Geste, aber keine ausreichende Maßnahme gegen Hitze.

Checkliste zu Hitzearbeit

Hitzearbeit liegt dann vor, wenn Beschäftigte bei der Arbeit der Kombination aus Hitze, körperlicher Arbeit und Schutzkleidung 
ausgesetzt sind und es zu einer Erwärmung des Körpers mit dem Risiko von Gesundheitsschäden kommt. 
Weitere Informationen und eine Checkliste zu Hitzearbeit hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung in einer Handlungshilfe 
für Kleinbetriebe zusammengestellt.

 http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/i-7002.pdf