Arbeit

»Es ist die falsche Strategie, Mitarbeiter zu entlassen«

Interview mit Klaus Thaler, Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart

DRUCK+PAPIER: Wie weit ist Print 4.0 in der Druckindustrie fortgeschritten?

Klaus Thaler: Wenn ich Betriebe besuche, sehe ich ganz oft noch Auftragsmappen, die aus Papier bestehen. Es sind nur eine Handvoll Unternehmen, die den Workflow digitalisiert haben. Das ist nicht verwunderlich. 95 Prozent der Druckbetriebe haben weniger als 50 Mitarbeiter/innen. Von einer Digitalisierung der Arbeitsprozesse sind die meisten noch weit entfernt.

Sie sagen, Druckunternehmen sind falsch beraten. Warum?

Die Druckindustrie steht unter einem enormen Druck und klagt über Überkapazitäten und sinkende Preise. Aber wenn alle zur gleichen Zeit das Gleiche anbieten, dann geht der Preis eben nach unten. Daraufhin wird den Betrieben geraten, sie sollten Kosten senken, indem sie Leute entlassen. Das führt doch zu einer Rebellion bei der Belegschaft, mit einer reduzierten Besetzung den gleichen Ausstoß wie vorher zu bringen. Außerdem ist es die falsche Strategie, Mitarbeiter zu entlassen, die Prozesse aber nicht anzutasten. So entkommt man nicht dem Hamsterrad der Kostenfalle.

Indem man Löhne senkt…

Klaus Thaler, Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart, Studiengang Print Media Management. Um Industrie 4.0 geht es auch in seinem Buch »Produktionsmanagement«, gemeinsam mit Nicolai Schädel, vor kurzem erschienen im Berliner Wissenschafts-Verlag.

… auch nicht. Wir sind ein Hochlohnland und ein Qualitätsstandort. Unternehmen müssen etwas anbieten, was andere nicht anbieten, und sich spezialisieren. Das ist Aufgabe der Unternehmensführung. Man sollte neue Leute mit neuen Ideen einstellen, nicht Mitarbeiter entlassen. Und in Ausbildung investieren und auf Hochschulen und Institute zugehen.

Weil Studierende bessere Ideen haben?

Weil man gemeinsam an Lösungen tüfteln kann. An unserer Hochschule gibt es zum Beispiel das Projekt »smart Kitchen«, intelligente Küche. Dabei geht es darum, wie eine Küche mit 4.0-Technologie ausgestattet werden kann. Mit einem smarten Kühlschrank, in dem die Milchtüte steht, deren Farbe sich auf der Verpackung verändert wenn das Verfallsdatum überschritten ist. An diesem Projekt sind auch Entwickler von Dekoren dabei, da kommt jetzt die Personalisierung ins Spiel. Vielleicht will der Kunde sein Lieblingsfoto auf der Küchenplatte oder sein Lieblingsdekor auf dem Küchenschrank verewigen. Unternehmen müssen horchen, was der Kunde will. Und den Branchen zuhören, die man beliefert.

Was heißt das?

Ob gedruckte Antennen, Skipässe, Labels von Bekleidungsherstellern oder Diebstahlsicherungen in Bekleidung – darin steckt gedruckte Elektronik, also muss man fragen: Was will die Automobilindustrie? Was braucht die Textilindustrie? Wie kann ich meinen Kunden weiterhelfen? Und darauf muss man sich als Druckindustrie einstellen.

Hat der Beruf des Druckers eine Zukunft in Print 4.0?

Man muss zwei Dinge tun: Die künftigen Drucker/innen auf die neue Technologie hin ausbilden und die jetzt Beschäftigten weiterbilden. Aber die Druckindustrie muss vor allem von ihrem altbackenen Image weg. Weg vom Image der Insolvenz, hin zum Image der Innovation. 85 Prozent der befragten Studierenden an unserer Hochschule haben über alle Fachbereiche hinweg geantwortet, dass sie nicht in der klassischen Druckerei arbeiten möchten, in der alles nach »Schema F« läuft. Bevorzugt werden Mediendienstleister, die sich in den Zukunftsmärkten Individualisierung, Mobilität, digitale Informationsverfügbarkeit, Crossmedia, Web-to-Print und gedruckte Elektronik positionieren.