Arbeit

Raus aus der Teilzeitfalle

Arbeitsministerium will Rückkehrrecht in Vollzeitbeschäftigung einführen. Unternehmerverbände kritisieren »Überdosis Bürokratie«, Betriebsräte widersprechen

Die Empörung der Unternehmerlobby ist groß. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will Teilzeitbeschäftigten ein Rückkehrrecht in Vollzeit einräumen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nennt das eine »Überdosis Bürokratie«. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kontert: »Wer Pinkelpausen kontrollieren kann, kann auch unbürokratisch flexible Arbeitszeiten ermöglichen.« Auch Betriebsräte aus Druckereien und Verlagen halten die reflexhafte Kritik für unbegründet.

»Ich verstehe das Geschrei der Arbeitgeber überhaupt nicht«, sagt Karin Wagner, Betriebsratsvorsitzende der Märkischen Verlags- und Druckgesellschaft in Potsdam. Schon die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit auch gegen den Willen des Chefs sei bei Unternehmern seinerzeit auf Empörung gestoßen. »Und jetzt haben sie ihren Gefallen daran gefunden, weil Teilzeitkräfte viel flexibler einsetzbar sind.« So sehr, dass sie ihren Angestellten das Recht verwehren wollen, nach einer Teilzeitphase wieder auf Vollzeit zu gehen.

Karin Wagner hielt es von Anfang an für einen »Strickfehler« des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, dass dieses zwar reduzierte Arbeitszeiten ermöglicht, aber kein Rückkehrrecht zur früheren Stundenzahl enthält. »Es muss die erzwingbare Möglichkeit geben, wieder länger zu arbeiten«, fordert die Gewerkschafterin. 
Ein Teilzeitjob sei zumeist keine Grundlage, um davon eigenständig zu leben. Das wirke sich auch bei der Rente aus: »Kolleginnen in der Weiterverarbeitung, zum Beispiel Einlegerinnen, bekommen trotz harter Arbeit schon bei Vollzeit eine sehr geringe Rente. Wenn sie dauerhaft in Teilzeit festhängen, sind sie im Alter wirklich arm.«

Lebensumstände ändern sich

Auch der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Springer Druckhauses in Berlin, Andreas Meißner, befürwortet das Rückkehrrecht: »Die Lebensumstände ändern sich. Wenn man zum Beispiel plötzlich Alleinverdiener ist, braucht man mehr Geld und muss voll arbeiten.« In dem Spandauer Betrieb sei es bereits so geregelt, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit befristet reduzieren und danach wieder aufstocken können. Von dem ebenfalls von Ministerin Nahles ins Spiel gebrachten Vorschlag, den gesetzlichen Acht-Stunden-Tag in einer zweijährigen »Experimentierphase« überschreiten zu können, hält Andreas Meißner hingegen nichts. Die Arbeitszeiten seien schon jetzt sehr flexibel. So werde in einer Abteilung des Druckhauses auf Wunsch der Kollegen nachts nur noch sechs Stunden gearbeitet, um die Gesundheit der Schichtarbeiter zu schützen. Grundsätzlich sollten die Arbeitszeiten nicht verlängert, sondern verkürzt werden, fin
det der Gewerkschafter. Zum einen wegen 
der hohen Arbeitsbelastung. Zum anderen, 
um Arbeitsplätze auch in Zeiten von »Indus
trie 4.0« zu sichern.

Die Pläne der Arbeitsministerin:

• Recht auf befristete Teilzeit. Voraussetzungen: mehr als 15 Beschäftigte; Arbeitsverhältnis besteht seit mindestens drei Monaten

• Teilzeitkräfte, die länger arbeiten wollen, werden bei der Besetzung von Stellen bevorzugt; die Beweislast trägt künftig der Arbeitgeber

• »Experimentierklausel« zur Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit; Voraussetzungen: zwei Jahre befristet, wissenschaftlich begleitet, tarifvertraglich abgesichert