Arbeit

Hängepartie bei X-label

Erster Streik beim Etikettendrucker in Thüringen bringt Lohnerhöhung, aber noch keinen Tarif

Michaela T. arbeitet seit zehn Jahren als Konfektioniererin beim Etikettendrucker X-label im thüringischen Gebesee. In dieser Zeit bekamen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen nur eine einzige kleine Lohnerhöhung – das war es. Die Folge: Die Bezahlung vieler der rund 190 gewerblich Beschäftigten liegt lediglich zwischen 8,50 und 10,00 Euro pro Stunde. »Irgendwann haben wir gesagt: Es muss sich was ändern«, berichtet Michaela T. Die Beschäftigten wandten sich an ver.di. Mit Unterstützung der Gewerkschaft gelang vor zwei Jahren die Wahl eines Betriebsrats. Und seit Oktober vergangenen Jahres laufen Verhandlungen über eine Haustarifvertrag. Dafür hat die Belegschaft im Mai auch gestreikt – zum ersten Mal überhaupt.

»Wir hatten erst ein mulmiges Gefühl, als ver.di zum Streik aufgerufen hat«, gibt Michaela T. zu. »Doch dann war es ein Riesenerfolg; zum Schluss standen 90 Kolleginnen und Kollegen vor dem Tor. «Fünf Stunden kam die Produktion am 19.Mai in der Früh- und Spätschicht zum Erliegen.» Das hat Eindruck gemacht und gezeigt, dass die Belegschaft hinter den Tarifforderungen von ver.di steht«, ist die 41-Jährige überzeugt.

Dennoch kam es bei den Verhandlungen Ende Juni zum Eklat. Plötzlich wollte die Geschäftsleitung von früheren Zusagen nichts mehr wissen. »Es war von Anfang an klar, dass wir über einen Haustarifvertrag auf Grundlage des Flächentarifs der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie verhandeln. Dazu gehören natürlich die Eingruppierungsregeln im Lohnrahmentarifvertrag«, betont 
ver.di-Verhandlungsführer Michael Kopp. Doch auf einmal erklärte das Management, es wolle ein eigenes Modell zur Eingruppierung schaffen. Während Angestellte weitgehend tarifgerecht eingruppiert werden sollen, will die Geschäftsleitung die gewerblich Beschäftigten gegenüber dem Flächentarif dauerhaft schlechterstellen. Dabei sind es die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Produktion, die einen großen Beitrag für den Unternehmenserfolg bringen und sich am stärksten für einen Tarifvertrag einsetzen.

Rechtsanspruch nur mit Tarifvertrag

Auch Fragen wie die Verkürzung der Arbeitszeiten und Verbesserungen bei der Jahressonderzahlung, auf die sich beide Seiten längst verständigt hatten, stellte die Unternehmensleitung wieder infrage. »Die X-label-Spitze verfolgt offenbar eine Hinhaltetaktik, um die Kolleginnen und Kollegen zu verunsichern«, kritisiert Kopp. Kombiniert wurde dies mit einseitig erklärten Lohnerhöhungen von sechs Prozent für Arbeiter/innen und drei Prozent für Angestellte. »Dass es nach all den Jahren überhaupt Einkommensverbesserungen gibt, ist eindeutig auf die Proteste der Belegschaft zurückzuführen«, meint ver.di-Sekretärin Monika Helfensritter. »Aber es ist auch klar: Nur mit Tarifvertrag besteht ein Rechtsanspruch für jedes Gewerkschaftsmitglied.« Einseitige oder betriebliche Regelungen könnten jederzeit geändert werden. Deshalb werden sich die Kolleginnen und Kollegen jetzt nicht damit zufriedengeben, sondern weiter auf einen Tarifvertrag drängen, so Helfensritter.

»Ohne die Gewerkschaft wäre hier gar nichts passiert«, ist Michaela T. überzeugt. Mittlerweile ist ein Großteil der Produktionsmannschaft in ver.di organisiert. Individuelle Bitten um mehr Geld seien in der Vergangenheit stets ignoriert worden, berichtet die Konfektioniererin. Sie findet es traurig, dass man sich auch nach mehreren Verhandlungsmonaten immer noch nicht auf Regelungen zur Eingruppierung geeinigt hat. »Wir wollen ja nicht mehr als das, was uns zusteht – und dann endlich wieder in Ruhe unsere Arbeit machen.« Die ver.di-Tarifkommission, der sie angehört, sei dazu stets gesprächs- und kompromissbereit.

So etwas hat es in Gebesee noch nicht gegeben: Beschäftigte von X-label streiken am 19. Mai für einen Tarifvertrag.